Die Wirklichkeit ist nur eine Behauptung

Im Umfeld vom Thema Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen spielt auch der Begriff „Selbstbehauptung“ eine große Rolle. Hierbei denkt man zunächst daran sich durchzusetzen oder in einer Auseinandersetzung nicht klein bei zu geben. Der Begriff „Selbstbehauptung“ macht uns allerdings auch noch auf einen weiteren Aspekt des Spektrums der Assertivität aufmerksam.

Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung

Wie Paul Watzlawick in seinem Buch „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“, beschreiben auch Bewusstseinsforscher die Innenwelt eines anderen Menschen als unbekanntes Terrain. So gut ich einen anderen Menschen auch kenne; so kann ich doch nie wirklich wissen was in einem anderen Menschen vorgeht. Jeder Mensch sieht die Welt durch seine Erfahrungen auf eine ganz andere Art und Weise. Diese Erfahrungen können konkret in der derzeitigen Emotion und Stimmung, in episodischen Erfahrungen aus der Vergangenheit oder in gegenwärtigen (zum Zeitpunkt des Bewusstseins) Zielen liegen.

Selbstbehauptung

Die Selbstbehauptung kann als „sich durchsetzen“ oder sich gegenüber einem oder mehrerer Gegenüber behaupten verstanden werden. Da wir bereits festgestellt haben, dass jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit hat, ist diese Behauptung keine Behauptung, von dir gegen dein Gegenüber, sondern vielmehr von seiner Wirklichkeit gegen deine Wirklichkeit.

Menschen die sich häufiger durchsetzen schaffen dies nicht, weil sie die besseren Ideen haben. Sie gehen davon aus, dass die Welt ihrer Wirklichkeit entspricht und handeln auch so. Natürlich gibt es auf der Welt auch immer wieder harte Faktoren, die subjektive Wirklichkeiten auf die Probe stellen, aber je sicherer sich jemand ist, dass seine Wirklichkeit die „wirkliche“ Wirklichkeit ist, desto mehr wird er so handeln als wenn seine Wirklichkeit „wirklich“ ist und desto größer ist die Chance, dass das jeweilige Gegenüber sich seiner Wirklichkeit nicht mehr so sicher ist und sich der Wirklichkeit des ersten anpasst.

Dann scheint es so (und zu einem Gewissen grad ist es auch so), dass die Wirklichkeit des ersteren die „wahre“ Wirklichkeit ist. Nicht weil er ursprünglich die „bessere“ oder „richtigere“ Wirklichkeit inne hatte, sondern weil seine Behauptung dieser Wirklichkeit stärker war. Durch die Interaktion dieser zwei Akteure ist die Wirklichkeit des ersten in diesem Moment die „wahre“ Wirklichkeit geworden.

Assertivität braucht Grenzen

Den Prozess des „Grenzen setzens“ kann man ganz grob in 3 Teile einteilen. Grenzen definieren, Grenzüberschreitungen erkennen und Grenzen setzen.


1. Grenzen definieren

Der Prozess des Grenzen setzens beginnt damit sich selbst klar zu machen wo die eigenen Grenzen liegen. Denn wie kannst du Grenzen einhalten, die du nicht kennst? Geografisch kann man sich das gut vorstellen. Länder ziehen Grenzen. Diese sind ganz klar definiert. Das macht den 2. Schritt des Grenzen setzens viel einfacher.

2. Grenzüberschreitungen erkennen.  

Grenzüberschreitungen erkennen. Man kann genau erkennen wenn Ländergrenzen überschritten werden. Das sollte auch für persönliche Grenzen der Fall sein. Es darf keine Frage mehr darüber entstehen, ob deine Persönliche Grenze überschritten wurde. Deswegen ist der erste Schritt, das Grenzen definieren, so wichtig. 

3. Grenzen setzen

Der letzte Schritt ist der wohl schwerste. Wenn persönliche Grenzen definiert und Grenzüberschreitungen erkannt wurden, kannst du beginnen für deine Grenzen einzustehen. Das Grenzen setzen ist der wichtigste aber auch schwierigste Schritt. 

Das Grenzen setzen kann je nach Situation, Grenzüberschreitung und Persönlichkeit ganz verschieden aussehen. Manch einer braucht viele Worte oder Handlungen, während andere durch Körpersprache oder auch Gesetze oder Regeln Grenzen setzen. 

Assertivität

Was ist Assertivität?

Selbstsicherheit. Die Fähigkeit im Verhältnis zu seiner Umgebung eigene Ansprüche zu stellen und sie auch verwirklichen zu können.

Dazu gehören 3 Klassen von Fähigkeiten:

  1. Sich zu erlauben eigene Ansprüche zu haben
  2. Sich zu erlauben diese zu äußern
  3. Die Fähigkeiten zu haben diese Ansprüche durchzusetzen

Wenn diese 3 Klassen täglich ausgeübt werden, führt dies zur positiven Verstärkung und somit auch zur Entwicklung eines optimalen Selbstwertgefühls.

Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung

Wie bereits in der Beschreibung des Begriffs der Assertivität beschrieben ist unser Selbstwert ein Resultat von Positiven Verstärkern, die wir täglich erhalten. Wenn wir jetzt darüber nachdenken, wie uns andere Menschen sehen und mit uns umgehen, haben diese beiden Dinge unmittelbar miteinander zu tun.

Habe ich ein optimales Selbstwertgefühl, werden mich auch die Menschen und meiner Umgebung als wertvoller wahrnehmen und mir wiederum positive Verstärker für mein Verhalten geben. Das verstärkt dann wiederum meine positive Selbstwahrnehmung und führt zu einer Positiv-Spirale die meinen Selbstwert erhöht.

Selbstfürsorge

Egal ob unser Selbstwertgefühl gerade besonders positiv, negativ oder in eine der beiden Richtungen unterwegs ist gibt es neben Sozialen Verstärkern auch die eigenen Verstärker, die man als Faktoren in die „Berechnung“ des eigenen Selbstwertgefühls mit einbeziehen muss. Zentral hierbei ist die Frage:

Wie gehe ich mit mir selbst um wenn niemand zuschaut?

Kümmere ich mich um mich selbst als wenn ich jemand wäre der es wert ist ein gutes Leben zu haben? Das bedeutet nicht, dass ich jeden Tag nur das tun kann was sich gut anfühlt. Wir Menschen machen Dinge immer für ein Gefühl.

  1. Entweder für das Gefühl, dass uns die Handlung im Moment gibt („instant gratification“)
  2. Oder für das Gefühl, dass uns die Handlung jetzt, später eine Belohnung gibt („delayed gratification“)

Wenn wir die Frage oben möglichst ideal beantworten wollen, müssen wir einen guten Ausgleich aus den beiden Motivatoren in unserem Leben finden.

Wenn wir uns konstant nur für die unmittelbare Belohnung entscheiden, also den Kuchen immer sofort essen, gibt es keinen Kuchen mehr für später.

Wenn wir uns konstant dafür entscheiden, den Kuchen später zu essen, wird es nie dazu kommen, dass wir mal einen Stück Kuchen essen können.

fiE – Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Selbstsicherheit – fiE

Was ist Selbstbewusstsein? Selbstbewusstsein oder Selbstvertrauen scheint erst einmal sehr viel mit sich selbst zu tun zu haben. Ich denke aber man kann das auf verschiedene Arten sehen. 

Der Begriff Selbstbewusstsein verweist auf die Frage: Wie sehr bin ich mir selbst bewusst? Wie gut kenne ich mich selbst? Wenn ich mich also selbst gut kenne, weiss ich was ich brauche, was ich kann und was ich nicht kann oder nicht möchte. Das heißt ich habe ein klares Bild von mir. Ein klares Bild von mir zu haben fällt allerdings schwer wenn man dies nicht in Abgrenzung zu anderen tut. Also ich bin so gebildet wie, weniger gebildet als. Ich bin Introvertierter als 50% der Gesellschaft. All dies ist gut zu wissen, aber führt nicht zwangsläufig dazu sich effektiver oder besser zu fühlen oder zu sein.

Das Selbstvertrauen heisst vor allem: Wie sehr vertraue ich mir selbst? Das stimmt, weil ich je mehr ich mir selbst vertraue, ich also weiss, dass wenn ich etwas plane es auch tue/ wenn ich etwas verspreche es auch tue/ dass ich mich auf mich selbst verlassen kann, dann geht es mir mit mir selbst besser und ich brauche keine Sorge zu haben, dass ich mich selbst im Stich lasse. 

Dann wird auch klar warum uns das Selbstvertrauen stärker gegenüber anderen macht. Wenn wir uns auf uns selbst verlassen können, dann brauchen wir den anderen nicht mehr unbedingt um zu überleben oder uns gut zu fühlen. Das ist ein tatsächlich auf das selbst gerichtetes Konzept. 

Die Selbstsicherheit könnte aus den beiden vorgenannten Konzepten erwachsen. Dadurch, dass ich mir selbst bewusst bin und ich mir selbst vertraue, bin ich mir meiner Selbst sicher. Ich habe ein klares Bild und ich vertraue mir auch dieses Bild einzuhalten; es nicht verschwimmen zu lassen. Diese Selbstsicherheit könnte als Ziel hinter der Kultivierung von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen stehen. 

Zuletzt möchte ich noch einmal einen Schlenker über „den Anderen“ machen. Ein Philosoph, der mich nachhaltig beeindruckt hat war Levinas. Levinas hat über eine Philosophie des Anderen geschrieben und gesprochen. Erst im Gesicht des anderen erkenne ich mich. Auch wenn Levinas über ein komplett anderes Thema gesprochen hat, denke ich steckt sehr viel menschliche Wahrheit in diesem Satz. Wenn wir heute über Selbstbewusstsein oder Selbstvertrauen sprechen, denke ich dürfen wir nicht unsere menschliche Tendenz vergessen sich immer im Verhältnis zu anderen zu positionieren. Also wie reich/arm bin ich im Vergleich zu den anderen Menschen in meiner Umgebung? Ob ich reich oder arm bin, kann ich nicht bestimmen solange ich keinen Vergleich habe. 

Und auch beim Selbstbewusstsein oder Selbstvertrauen vergleichen wir unbewusst direkt das Selbstvertrauen des Gegenübers mit unserem Selbstvertrauen. Wie viel es dann noch um das „Selbst“ geht bleibt fraglich.